Dienstag, 9. August 2011

Bedeutung von Prognosen für die Zukunftsforschung und das Einsatzfeld Technik

Prognosen haben eine hohe Bedeutung für die Zukunftsforschung und auch besonders das Einsatzfeld Technik. Prognosen bewegen sich dabei immer im Spannungsfeld zwischen dem Selbstverständnis der Zukunftsforschung und den Erwartungen an die Zukunftsforschung. Die Zukunftsforschung kann als Dreieck beschrieben werden: der Forschung, der Gestaltung und Planung von Zukunft und der Vision von Zukunft [vgl. FLECHTHEIM, O. 1980: 119]. Für die Forschung sind Prognosen unverzichtbar. Jedoch wird Zukunftsforschung nur allzu gerne reduziert auf reine Prognostik. „Most laymen and even some technologists assume that forecasting and futures studies are synonymous with prediction“ [LINSTONE, H. 1987: 31]. Und damit entsteht ein Widerspruch, der sich nur durch Überzeugungsarbeit auf der Seite der Zukunftsforschung für ihre Profession und das Verständnis von Zukunft auflösen lässt.
Beschreibt die Zukunftsforschung die Zukunft als offen und hebt die Nichtdeterminiertheit der Zukunft hervor, reagiert das Umfeld oft mit Unverständnis. Die Aussage, keine Prognose abzugeben, ist ein „Verstoß gegen die Gewissheitsforderungen der Umwelt“ und Primat der Rationalitätsentscheidungen der Umwelt. Denn diese wünscht sich klare Aussagen, auch, um die „richtige“ Entscheidung treffen zu können und eigene Handlungen abzusichern [vgl. NEUHAUS, C. 2001].
Doch der einfache Rückzug auf die Aussage, keine Prognosen zu erstellen, ist für die Zukunftsforschung ebenfalls nicht dienlich. Ist doch gerade der Anspruch von Wissenschaft, Hypothesen und damit auch Prognosen zu erstellen das höchste Ziel und damit auch entscheidender Prüfstein von Forschung.
Hier wird der „doppelte Legitimationszwang“ [vgl. Popp, R. 2009:135f] der Zukunftsforschung deutlich. Dieser gilt zum einen gegenüber der eigenen Scientific Community und der Community der Forschung im Allgemeinen und dem Praxisfeld gegenüber. Beide folgen aber ganz unterschiedlichen Handlungslogiken und beide Felder haben grundsätzlich verschiedene Interessen, die nicht immer leicht in Einklang zu bringen sind. Der Forschungsgemeinde gegenüber ist die oberste Prämisse die Einhaltung von Gütekriterien. Das Praxisfeld fordert aber gleichzeitig Nützlichkeit als oberste Prämisse. Und in diesem Spannungsfeld beiden Seiten gleichermaßen gerecht zu werden, ist äußerst schwierig.
Und wenn die Zukunftsforschung Ihren Anspruch der Gestaltung von Zukunft einlösen möchte, braucht sie Prognosen und Hypothesen auch, um Ihr Handeln zu legitimieren. Keine Handlungsoptionen können im luftleeren Raum entwickelt werden sondern es liegen dabei immer Grundannahmen über die Zukunft zu Grunde.
Für das Einsatzfeld Technik bedeutet dies, die eigene Wahrnehmung von Zukunft zum einem und den Wechselwirkungen zwischen Technik und Gesellschaft zu überprüfen. Welches Bild von der Zukunft herrscht vor? Haben die Akteure im Einsatzfeld ein transparentes Zukunftsbild und Verständnis? Verstehen sie die Zukunft als berechenbar und prognostizierbar? Ein Lösungsansatz liegt in der gemeinsamen Kommunikation und im Austausch über Zukunftsbilder und implizite Annahmen über die Zukunft. „In der Kommunikation kann man die geteilten Zukunftsbilder entwickeln, ihre Geteiltheit überprüfen, sich auf sie berufen oder sich auf sie beziehen“ [NEUHAUS,C. 2009: 187]. Nur wenn das gelingt, wird die gemeinsame Arbeit an Zukunftsprojekten wirklich fruchtbar.
Wie verstehen die einzelnen Beteiligten die Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Technik und Technik und Gesellschaft? Gehen sie von einem linearen Verlauf aus, bei dem Technik immer der Ausgangspunkt ist, und die Gesellschaft den Innovationen und Entwicklungen folgt? Oder ist Technik sowohl Treiber als auch Gegenstand von Entwicklungen?
Die Frage nach Prognosen in der Zukunftsforschung und von den Akteuren in den Einsatzfeldern ist auch immer die Frage nach dem Umgang mit Unsicherheit: wie viel Ungewissheit brauchen wir? Und, wie viel Ungewissheit können wir uns leisten? Sicherheit bedeutet immer auch Handlungsfähigkeit. Und Sicherheit kann nur mit Prognosen und Vorhersagen erschaffen werden. Und gleichzeitig ist es die Aufgabe der Zukunftsforschung, immer wieder darauf hinzuweisen, dass diese Sicherheit nicht bedeutet, die Zukunft wirklich zu „wissen“. Prognosen sind unabdingbar, um ein Individuum und Akteure in Einsatzfeldern der Zukunftsforschung auf zukünftige Entwicklungen hinzuweisen. Prognosen „sensibilisieren“  gegenüber der Zukunft. So kann das eigene Reaktionsvermögen gesteigert werden und die man selbst wird wandlungsfähig. Prognosen sind die Voraussetzung und Entscheidungen zu treffen und Strategien zu entwickeln.

Quellen: Armstrong, J. (2001a): “Standards and practices for forecasting” in Armstrong, J. (2001): „Principles of Forecasting- A Handbook for Researchers and Practitioners“, Kluwer Academic Publishers, Norwell und Linstone, H. (1977): Introduction Shifting Foundation” in: Linstone, H. and Simmonds, W. (1977): “Futures Research- New Directions”, Addison-Wesley Publishing Company, Reading undNeuhaus, C. (2009): „Zukunftsbilder in der Organisation“, in Popp, R. und Schüll, E. (Hrsg.) (2009): „Zukunftsforschung und Zukunftsgestaltung – Beiträge aus Wissenschaft undPopp, R. (2009): „Partizipative Zukunftsforschung in der Praxisfalle?“, in Popp, R. und Schüll, E. (Hrsg.) (2009): „Zukunftsforschung und Zukunftsgestaltung – Beiträge aus Wissenschaft und Praxis“, Wissenschaftliche Schriftenreihe „Zukunft und Forschung des Zentrums für Zukunftsstudien in Salzburg, Band 1, Springer Verlag, Berlin

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